Mit Agrarökologie gegen den Hunger

Jahresbericht 2023

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

2023 hat erneut illustriert, wie notwendig der Einsatz von Fastenaktion ist: Der Hunger in der Welt nimmt eher zu als ab. Immer weiter steigende Temperaturen, Dürren, Starkregen und Naturkatastrophen, aber auch Kriege und Konflikte reduzieren die Ernteerträge – die Menschen müssen entweder hungern oder sich verschulden. Denn auch die Nahrungsmittelpreise sind vielerorts wegen Knappheit, Inflation und erhöhter Energiepreise gestiegen.

Fastenaktion hat vergangenes Jahr bei mehreren akuten Krisen Nothilfe für die Menschen in unseren Projekten geleistet, etwa in Nepal nach einem schweren Erdbeben oder in Burkina Faso wegen Terror und Vertreibung. In den Medien standen allerdings andere Katastrophen im Mittelpunkt, etwa das Erdbeben in Syrien und der Türkei oder der Krieg in der Ukraine. Dadurch gingen weniger Spenden an Organisationen wie Fastenaktion, die in den ärmsten Ländern der Welt langfristig Armut und Hunger bekämpfen. Dies führte 2023 finanziell zu einem negativen Geschäftsergebnis von rund 700’000 Franken.

Und die Zukunft hält bezüglich der Finanzen weitere Herausforderungen bereit. Denn der Bundesrat plant, ab 2025 Gelder aus dem Budget der Entwicklungszusammenarbeit zum Wiederaufbau der Ukraine einzusetzen. Dies hätte Folgen für alle Schweizer Organisationen, die in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind, auch für Fastenaktion. Es würde bedeuten, dass für die langjährige, nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit beträchtlich weniger Geld zur Verfügung stünde. So wichtig es ist, der Ukraine zu helfen, darf dies nicht auf Kosten der Ärmsten dieser Welt geschehen. Darum setzen wir uns dafür ein, dass der Bund zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt.

Umso wichtiger ist Ihr Engagement. Auch dank Ihrer grossartigen Unterstützung konnte Fastenaktion 2023 wirksame Arbeit leisten und die Lebensbedingungen von insgesamt 2.7 Millionen Menschen im globalen Süden verbessern.   

Vielen Dank! 

Herzlichst, Ihr
Bernd Nilles, Geschäftsleiter Fastenaktion

Wirkung weltweit 2023 

Fastenaktion erreichte letztes Jahr gut 5.2 Millionen Menschen mit ihren Projekten und Programmen sowie der Informations-, Kampagnen- und Sensibilisierungsarbeit. Zusammen mit kleinbäuerlichen Netzwerken, Solidaritätsgruppen, kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen haben wir insgesamt 347 Projekte realisiert – und die Stimmen aus dem globalen Süden auf internationaler Ebene eingebracht, etwa an der Weltklimakonferenz in Dubai oder bei der Uno in Genf.

Mit ihren Aktivitäten in den zwölf Landesprogrammen und den drei Internationalen Programmen erreichte Fastenaktion 2023 direkt rund 639’000 Menschen, 58 Prozent von ihnen waren Frauen. Sie haben insbesondere ihren Zugang zu ausreichender und gesunder Nahrung verbessert. Insgesamt konnten rund 2.7 Millionen Menschen im globalen Süden ihre Lebenssituation positiv verändern. Mit unserer Informations- und Sensibilisierungsarbeit in der Schweiz haben wir rund 2.5 Millionen Menschen erreicht.

Die Landesprogramme legen den Fokus darauf, Menschen Zugang zu genügend und gesunder Nahrung zu verschaffen und das Risiko einer weiteren Verarmung zu verringern. So profitieren zum Beispiel in  acht Programmen rund 181’000 Frauen und 150’000 Männer von der nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Boden und Wasser. Die dabei genutzten agrarökologischen Techniken sind umweltschonend und an die lokale Situation angepasst; sie verbessern die Ernten und helfen bei der Anpassung an die Klimaerwärmung. Zudem fördert Fastenaktion die dafür nötigen Rahmenbedingungen in den Programmländern. Dafür fanden dort insgesamt etwa 295 Treffen mit Behördenvertreter: innen statt.

Die Internationalen Programme bringen die Stimmen der betroffenen Gemeinschaften aus dem globalen Süden auf internationaler Ebene und in der Schweiz ein. Dort gab es neben der Ökumenischen Kampagne einige weitere Sensibilisierungsarbeit, etwa einen kommunikativen Schwerpunkt zum Welternährungstag am 16. Oktober und einen gut genutzten Online-Adventskalender zum Jahresende, der Einblick in unsere Arbeit und Projekte gab. Ein Höhepunkt war zudem das erste Aktionsforum in Solothurn: Rund 60 Personen aus dem kirchennahen Umfeld erhielten Einblicke in unsere Arbeit.

Meldungen von Korruption, Missbrauch oder sexueller Belästigung geht Fastenaktion konsequent nach und ahndet erwiesenen Missbrauch. Im Jahr 2023 wurden uns 13 neue Compliance-Fälle gemeldet, 11 Fälle konnten wir abschliessen. Ende Jahr waren noch 10 Fälle offen. Zudem informieren wir jährlich über unser Engagement gegen Machtmissbrauch.

Lateinamerika

Guatemala

Rund 25’000 Personen erreicht das Landesprogramm mit seinem Fokus auf Recht auf Nahrung und Recht auf Identität. 1274 Familien bewirtschafteten ihr Land nach agrarökologischen Methoden, 828 konnten damit ein zusätzliches Einkommen generieren. Frauen nehmen eine immer zentralere Rolle in den selbstorganisierten Netzwerken ein, die sich bei staatlichen Instanzen für ihre Rechte einsetzen. Der Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft bleibt jedoch eine Herausforderung. Viele Hoffnungen auf bessere politische Rahmenbedingungen ruhen auf dem neu gewählten progressiven Präsidenten Bernardo Arévalo.  
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Haiti

Das Land ist seit Anfang 2023 ohne legitime Regierung, und der Staat hat die Kontrolle über weite Teile der Hauptstadt Port-au-Prince sowie gewisse Regionen an kriminelle Banden verloren. Die Ernährung von über 40 Prozent der Bevölkerung ist nicht gesichert. Deshalb hat Fastenaktion 2023 zwei Nothilfeprojekte durchgeführt. Trotz der kritischen Sicherheitslage konnten die lokalen Partnerorganisationen 5600 weitere Personen in agrarökologischen Techniken schulen. Auch der Erosionsschutz (total 404 Hektaren Ende 2023) und die Aufforstung (total 163 Hektaren Ende 2023) schreiten gut voran. Zudem haben 12’000 Personen dank Mitgliedschaft in Spargruppen Zugang zu günstigen Darlehen in Notlagen.
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Kolumbien

Das Landesprogramm erreicht direkt knapp 9000 Personen. 1235 Familien arbeiten mit agrarökologischen Anbaumethoden, was die Erwartungen für 2023 übertroffen hat. Die so bewirtschafteten Flächen steigen um 238 Prozent auf 194 Hektaren. In 284 Dialogforen wurden Diskriminierung, Gewalt gegen Frauen, Ungleichheit und andere geschlechtsspezifische Themen angesprochen. Die Programmpartner gehen mit ihren Anliegen zunehmend bewusst an die Öffentlichkeit und unterstützten so positiv die Entwicklung staatlicher Programme. So gibt es neu einen Fonds im Umweltministerium zur Finanzierung von Projekten im Umweltbereich.
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Asien

Nepal

Das Landesprogramm entwickelte sich erfreulich und erreichte total 18’351 Personen. 1248 neue Küchengärten wurden angelegt, und die bisherigen werden ständig erweitert. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit sprachen Behörden insgesamt 17’800 Franken für agrarökologische Anliegen, was die Anstrengungen der Bauern und Bäuerinnen unterstützt. 17 Gemeinden stellten zudem rund 40’000 Franken für die Bekämpfung von Kinderheiraten zur Verfügung, drei erarbeiteten eine Verordnung zu diesem Thema. Nach einem Erdbeben in der Provinz Karnali leistete Fastenaktion erfolgreich Nothilfe für den Wiederaufbau von Häusern oder Notunterkünften für die Ärmsten.
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Laos

Die Ernährungssicherheit der rund 44’000 Personen im Landesprogramm hat sich verbessert: Fischzucht und Ziegenhaltung sowie Gemüsegärten ermöglichen eine proteinreichere Ernährung. Allerdings schränkte der Wassermangel im Norden die Einrichtung von Gemüsegärten ein, derweil andere Teile des Landes mit Überschwemmungen und Erdrutschen konfrontiert waren. Dennoch verfügen die Dörfer in unseren Projekten heute über die notwendigen Strukturen, um ihre Ressourcen nachhaltiger zu nutzen. Auch hat sich dank Sensibilisierung die Beteiligung von Frauen an den Aktivitäten erhöht.
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Philippinen

Mit den Projekten zu Recht auf Nahrung wurden 32’400 Personen erreicht, 3200 haben neu einen gesicherten Zugang zu natürlichen Ressourcen erlangt. Agrarökologische Landwirtschaft wird auf rund 53 Hektaren betrieben, rund 300 Hektaren des Küsten- und Meeresgebiets werden schonend genutzt. 49 Dörfer haben Pläne zum Katastrophenschutz umgesetzt. Dennoch gab es in zwei Projektgebieten enorme Schäden durch Taifune. Die katholische Kirche spielt im Land weiterhin eine starke Rolle als Verteidigerin der Menschenrechte – ihre Akteur:innen ebenso wie andere Umweltaktivist:innen werden deswegen allerdings auch immer wieder bedroht.  
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Bembet Madrid, Koordinatorin Philippinen

Bembet Madrid, Koordinatorin Philippinen

Indien

Zwar nimmt die Unterernährung in Indien allgemein zu, die Menschen in den Projekten der Partnerorganisationen von Fastenaktion erleben jedoch eine überdurchschnittliche Verbesserung ihrer Ernährungssicherheit und -souveränität. Dies gelingt auch dank der Zusammenarbeit mit staatlichen landwirtschaftlichen Forschungsstellen im Bereich der Agrarökologie. Die Zahl der Familien, die diese Art Landwirtschaft betreiben, ist um 3466 gestiegen. 1628 Familien erhielten neuen Zugang zu Land, über 12’000 Personen erhielten erstmals Wahlausweise. Knapp 52’000 beteiligten sich an Initiativen mit der lokalen Verwaltung zur Stärkung der Stellung der Adivasi und Dalits in der Gesellschaft.
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Afrika

Burkina Faso

Die Sicherheitslage im Land bleibt fragil, einerseits im Nachgang des Putsches von 2022, andererseits wegen Terrorismus. Rund ein Drittel des Landes befindet sich in einer Notlage. Fastenaktion hat vier Nothilfeprojekte durchgeführt, um die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung in den Programmgebieten zu stärken, die von Vertreibung bedroht sind. Trotz dieser schwierigen Umstände hat das Landesprogramm seine Ziele erfüllt: Es erreicht rund 6000 Menschen direkt, stärkt ihre Ernährungssicherheit und ermöglicht ihnen, ihr Einkommen zu steigern. Dank politischem Lobbying haben mehr als 150 Frauen neu Zugang zu Land für den eigenen Nahrungsmittelanbau. Und es wurden weitere 600 verbesserte Kochherde gebaut, um der Abholzung entgegenzuwirken.
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DR Kongo

Die Lage im Land bleibt schwierig, so sind etwa 6 Millionen Menschen intern auf der Flucht und 26,4 Millionen leiden unter akuter Ernährungsunsicherheit. Unser Landesprogramm gibt Gegensteuer: Knapp 13’000 Personen profitieren von mehr und gesünderer Nahrung, unter ihnen 55 Prozent Frauen, deren gesellschaftliche Stellung erfreuliche Fortschritte macht. Es gibt 649 Solidaritätsgruppen, die kleine Kredite an ihre Mitglieder vergeben und gemeinsam Felder und Fischteiche bewirtschaften. Zudem wurden zahlreiche Vereinbarungen mit Unternehmen unterzeichnet, um finanzielle Beiträge aus Bergbauerträgen in soziale Gemeindeprojekte zu investieren.
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Germain Nyembo, Koordinator Demokratische Republik Kongo 

Germain Nyembo, Koordinator Demokratische Republik Kongo 

Kenia

Das Landesprogramm erreichte mehr als 20’000 Personen direkt, über Solidaritätsgruppen, agrarökologische Schulgärten, Gemeindeforen und Friedenskomitees. Von inzwischen 547 Solidaritätsgruppen konnten 52 Prozent wichtige Kredite für Grundbedürfnisse und Notfälle zur Verfügung stellen. 89 Prozent der Mitglieder arbeiten mit agrarökologischen Praktiken und konnten so von Ernten aus Küchengärten und Food Forests profitieren. Geholfen hat auch, dass es in Teilen Kenias nach sechs ausbleibenden Regenzeiten erstmals wieder geregnet hat, andere Regionen leiden jedoch weiterhin unter Dürre. Ein Erfolg sind auch die energieeffizienten Kochöfen, die den Feuerholzbedarf halbieren – ihre Zahl erhöhte sich um knapp 3500 auf insgesamt 26’900.
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Stellamaris Mulaeh, Koordinatorin Kenia

Stellamaris Mulaeh, Koordinatorin Kenia

Madagaskar

Die Zahl der Solidaritätsgruppen ist um 968 auf 10'845 gestiegen, die insgesamt über 156’000 Mitglieder haben. Knapp 10 Prozent von ihnen wurden 2023 neu erreicht, über die Hälfte Frauen. 17’000 Mitglieder haben sich 2023 von ihren Schulden befreit. 10 Prozent der Haushalte konnten ihre Ernährungssicherheit verbessern. 15’000 Haushalte verwenden neu mindestens eine agrarökologische Anbautechnik. Rund 2000 Netzwerke haben in ihren Gemeinden lokale Entwicklungsprojekte durchgeführt, etwa den Bau eines Entwässerungskanals.
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Diary Ratsimanarihaja und Parany Rasamimanana, Koordination Madagaskar

Diary Ratsimanarihaja und Parany Rasamimanana, Koordination Madagaskar

Senegal

Es gab einen eindrücklichen finanziellen Zuwachs bei den Solidaritätsgruppen. Die Guthaben stiegen um über 20 Prozent auf rund 1.18 Millionen Franken – ein Drittel der Steigerung geschah durch diverse ökonomische Aktivitäten der Gruppen selbst. Inzwischen gibt es 2200 solche Solidaritätsgruppen mit über 73’000 mehrheitlich weiblichen Mitgliedern (eine Steigerung um 10 Prozent). Mit jedem Mitglied ist ein Haushalt von etwa zehn Personen verknüpft; diese leben dadurch in deutlich besserer sozialer Sicherheit. Allerdings mussten 2023 wegen einer Nahrungsmittelkrise erstmals über 50 Prozent aller Darlehen für Lebensmittel vergeben werden – einerseits wegen der Preisexplosion, andererseits wegen schlechter Ernten durch zu wenig Regen.
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Link zu Solidaritätsgruppen

Schweiz

Die neue Marke «Fastenaktion» hat sich etabliert und wurde in den meisten Medienberichten korrekt genannt. Auch die Rückmeldung der Spendenden war positiv. Dennoch haben wir in der Öffentlichkeit an Bekanntheit eingebüsst. Bei unseren Aktivitäten stand der Wandel hin zu Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit im Fokus – in diesem Sinne haben wir das ganze Jahr hindurch sensibilisiert. Rund 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben laut einer Umfrage die Aktivitäten von Fastenaktion und HEKS während der Ökumenischen Kampagne wahrgenommen. Auch das erste Aktionsforum in Solothurn war gut besucht.
Link zum Landesprogramm

Internationale Programme

Die Internationalen Programme (IP) von Fastenaktion engagieren sich für eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weltweit und leisten einen Beitrag für einen Systemwandel. Damit verbessern sie auch die Lebenswirklichkeit benachteiligter Menschen im globalen Süden.

Energie- und Klimagerechtigkeit

Fastenaktion hat sich stark für das neue Klimaschutzgesetz engagiert, etwa mit der Gedenkfeier für den Morteratschgletscher im Mai. Bei der Abstimmung im Juni haben schliesslich 59 Prozent der Schweizer Bevölkerung das Gesetz gutgeheissen. An der Klimakonferenz in Dubai konnten wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnerorganisationen konkrete Textvorschläge für das Schlussdokument einbringen – zugunsten der Ärmsten der Welt. Das grosse Engagement und unsere gute Reputation führten zudem zu einer grossen Medienpräsenz während der COP28.
Link zum IP Energie- und Klimagerechtigkeit

Ernährungsgerechtigkeit

Mit unserer Arbeit zu den Rechten von Bäuerinnen und Bauern konnten wir Stimmen aus dem Süden Zugang zu wichtigen Verhandlungen auf internationaler Ebene verschaffen. So hat etwa Michael Fakhri, Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Ernährung, verschiedene Eingaben unserer Partnerorganisationen direkt aufgenommen. Mit unserem Engagement haben wir zudem dazu beigetragen, dass der Uno-Menschenrechtsrat in Genf eine Gruppe von Expert:innen zur Überprüfung der Bauernrechtskonvention eingesetzt hat, womit die Rechte von Bäuerinnen und Bauern wirkungsvoll  gestärkt werden.
Link zum IP Ernährungsgerechtigkeit

Rohstoffe und Menschenrechte

Grosse Resonanz lösten wir mit unserer Studie über den Goldabbau in einer kolumbianischen Konfliktregion aus. Sie zeigt, dass der Abbau fischreiche Feuchtgebiete zerstört hat und die Lebensgrundlagen der Menschen beeinträchtigt, die dort leben. Ausserdem illustriert sie die fehlende Transparenz und Kontrolle der Golddrehscheibe Schweiz beim Import von Gold und anderen Rohstoffen. Die Studie wurde von grossen Schweizer Medien aufgegriffen und half unserem kolumbianischen Partner bei den Verhandlungen über positive Veränderungen beim Goldabbau.
Link zum IP Rohstoffe und Menschenrechte

Jahresrückblick 2023

Eine Klimakampagne zur Agrarökologie

Erstmals seit Pandemiebeginn konnte wieder eine Ökumenische Kampagne unter halbwegs «normalen» Umständen stattfinden. Die Kampagnengäste aus Madagaskar und Kenia stiessen an Veranstaltungen und in den Medien auf grosses Interesse. 

Beim dritten Teil unseres vierjährigen Kampagnenzyklus «Klimagerechtigkeit – jetzt!» lag der Fokus auf Agrarökologie. Dieses komplexe Thema verständlich und zugänglich zu machen, war durchaus eine Herausforderung. Gelöst wurde dies, indem wir die Menschen einluden, den Weg einer alltäglichen Mahlzeit vom Teller bis zum Feld zurückzuverfolgen. Dieser Ansatz fand sich auch im Fastenkalender, auf dem Tischset, dem Nahrungspfad und in Begleitmaterialien zu Gottesdiensten – etwa den 10 Geboten der Nahrung.

Förderlich dabei war, dass sämtliche Veranstaltungen, Suppentage und Gottesdienste wieder ohne pandemiebedingte Einschränkungen stattfinden konnten. Fastenaktion und HEKS organisierten 276 Veranstaltungen in der Deutschschweiz, der Romandie und im Tessin und erreichten damit 12’750 Personen. Einige unserer Mitarbeitenden gaben an Gottesdiensten einen Einblick in die Projekte im globalen Süden oder erläuterten das Kampagnenthema. Sehr gut angekommen sind auch die Gästetourneen von Diary Ratsimanarihaja aus Madagaskar und Stellamaris Mulaeh aus Kenia. Die beiden Frauen begeisterten in je 20 Einsätzen 1237 Personen in der Westschweiz und 930 Personen in der Deutschschweiz. Sie führten auch zu einem reichhaltigen Medienecho und ermöglichten es, Zielgruppen ausserhalb der kirchlichen Kreise zu erreichen.

Im kirchlichen Umfeld wiederum hat die Ökumenische Kampagne eine grosse Resonanz ausgelöst. Bei einer Umfrage sagten 97 Prozent der Befragten, dass sie die Kampagnenmaterialien teilweise oder ganz nutzten. Rund 90 Prozent setzten die Kampagne in irgendeiner Form um, 86 Prozent nutzten den Fastenkalender, von dem insgesamt rund 1.3 Millionen Exemplare verteilt wurden. Besonders gut angekommen ist das neue Hungertuch «Was ist uns heilig?» von Emeka Udemba in Zusammenarbeit mit Misereor. 400 grosse und 600 kleine Hungertücher wurden bei Fastenaktion verkauft – die Meditation von Jacqueline Keune dazu schlug einen schönen Bogen zum Thema Klimagerechtigkeit. Auch online hat sich die Kampagne erfreulich entwickelt: Die Zahl der erreichten User über alle Kanäle konnte mit über 50000 Personen gegenüber 2022 fast verdoppelt werden.

Senegals Regierung unterstützt Solidaritätsgruppen

Die von Fastenaktion initiierten Solidaritätsgruppen in Senegal sind bereits eine langjährige Erfolgsgeschichte. Anfang 2023 hat das nun auch die senegalesische Regierung offiziell anerkannt: Das Ministerium für Mikrofinanzen sowie Sozial- und Solidarwirtschaft sagte zu, das nationale Kalebassennetzwerk mit Transportmitteln, Unterständen und Krediten zu unterstützen. Zwar floss bisher erst ein Bruchteil des Geldes, doch bereits die ideelle Unterstützung einer Regierung ist aussergewöhnlich. 

Tag des bäuerlichen Widerstands 

Obwohl Kleinbäuerinnen und -bauern rund 70 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel produzieren, hat die Hälfte von ihnen selbst zu wenig zu essen. Ihr Zugang zu Land, Wasser und Saatgut ist bedroht. Sie erleben Ausgrenzung und Gewalt durch die eigenen Regierungen und internationale Agrarkonzerne. Am Internationalen Tag des bäuerlichen Widerstandes fordern Bäuerinnen und Bauern die Anerkennung ihrer Rechte und Solidarität. Fastenaktion arbeitet in ihren Projekten eng mit kleinbäuerlichen Familien zusammen und setzt sich als Koordinatorin des internationalen RAISE-Projekts aktiv für die Stärkung der kleinbäuerlichen Rechte ein.

Ja zum Klimaschutzgesetz

59 Prozent der Schweizer Abstimmenden haben sich an der Urne für mehr Klimaschutz ausgesprochen. Damit ist die Schweiz nun verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto-null zu reduzieren. Fastenaktion hat sich stark für das neue Gesetz engagiert, das als indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative entwickelt wurde. Um auf die Bedeutung der Abstimmung und das Schicksal der weltweit immer rascher abschmelzenden Gletscher hinzuweisen, organisierte Fastenaktion mit weiteren NGOs am 20. Mai eine Gedenkfeier für den Morteratschgletscher im Engadin, an der rund 150 Personen teilnahmen. Seit Messbeginn 1878 ist der Eisriese rund drei Kilometer kürzer geworden und hat zwei Drittel seines Volumens verloren.

Mediales Interesse an unserer Goldstudie

Eine Studie von Fastenaktion zeigt die negativen Folgen auf, die der Goldabbau in der kolumbianischen Konfliktregion Baja Cauca für Mensch und Umwelt hat. Weil dieses Gold in Schweizer Raffinerien verarbeitet wird, wurde die Studie auch von grossen Schweizer Medien wie «Tages-Anzeiger» und SRF (10vor10) aufgegriffen und verschaffte uns einige öffentliche Aufmerksamkeit.

Nothilfe nach Erdbeben in Nepal

Ein schweres Erdbeben hat in Nepal fast 30’000 Häuser zerstört oder beschädigt und auch Regionen direkt getroffen, in denen Fastenaktion mit Projekten aktiv ist. Angesichts der winterlichen Temperaturen war es umso wichtiger, den rund 34’000 betroffenen Familien möglichst rasch zu helfen. Fastenaktion hat wenige Tage nach dem Beben mit einer Partnerorganisation ein Hilfsprojekt zum Wiederaufbau der Häuser der ärmsten Familien gestartet. Dieses wurde von Schweizer Spenderinnen und Spendern mit über 40’000 Franken unterstützt.

Rege Debatten am ersten Aktionsforum

Rund 60 Personen aus dem kirchennahen Umfeld haben das erste Aktionsforum von Fastenaktion in Solothurn besucht, eine Mischung aus Weiterbildung und Impulstagung. Sie erhielten dabei nicht nur viele Einblicke in unsere Arbeit, sondern diskutierten in Workshops fleissig mit – über Strategien gegen den Hunger und die Klimaerwärmung, aber auch über die Beziehung von Fastenaktion zur kriselnden katholischen Kirche. Denn für die Finanzierung unserer Projektarbeit reichen die Spenden aus dem kirchlichen Umfeld schon länger nicht mehr. Eine Mehrheit der Gäste fand jedoch, dass die Beziehung für beiden Seiten wichtig bleibe. Die Erkenntnisse und Impulse aus dem Tag sollen auch in die neue Strategie fliessen, die Fastenaktion für die Zeit ab 2025 ausarbeitet. Das nächste Aktionsforum findet am 6. September 2024 statt.

Anzahl Projekte nach SDGs

Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung gilt weltweit für alle Staaten. Bei der Anwendung der Sustainable Development Goals (SDGs) unterscheidet Fastenaktion zwischen einer Transformation im Norden und einer Transformation im Süden. Im Norden geht es um eine Veränderung von Konsum, Mobilität und politischem Verhalten, denn damit können wir Klima sowie faire Handelsbedingungen positiv beeinflussen – und damit auch die Lebenschancen der Menschen im Süden. Mit der dortigen Transformation wollen wir würdige Lebensbedingungen für bedürftige, ausgeschlossene und benachteiligte Menschen erreichen. Mithilfe der Partnernetzwerke werden die lokalen Gemeinschaften und Organisationen gestärkt und die Menschen dabei unterstützt, ihre Rechte einzufordern (Human Rights Based Approach, HRBA).

Mit der Transformation der globalen Rahmenbedingungen schliesslich streben wir an, dass Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Konzerne nicht einfach hingenommen werden. Ziel sind auch Anpassungen von Gesetzen in der Schweiz und in Europa. Nachhaltige Wirtschaftsmodelle sollen gestärkt und internationale Austauschbeziehungen ethisch vertretbar gestaltet werden. 

Drei Beispiele aus der Projektarbeit nach SDGs

Die Auswirkungen des Goldbooms in Burkina Faso auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft sind gross. Einerseits fehlen wertvolle Arbeitskräfte auf den Feldern, andererseits wird der für den Anbau von Nahrungsmitteln so wichtige Boden unwiederbringlich zerstört und vergiftet. Doch der Goldabbau bringt den Menschen ein Einkommen, auf das sie nicht verzichten können. Die Partnerorganisation Orcade schärft seit einigen Jahren das Bewusstsein für die Bedeutung der Landwirtschaft unter den Goldwäscher:innen und versucht, die katastrophalen Auswirkungen auf die Umwelt zu begrenzen. Mehr als 10 000 Menschen, darunter 4000 Frauen, haben inzwischen an Sensibilisierungsaktionen wie Theaterforen teilgenommen oder durch eigens erstelltes Bildmaterial wichtiges Wissen vermittelt bekommen. Gleichzeitig hat Orcade auch zu Studien der ETH Zürich beigetragen, die die Zyanid- und Quecksilberbelastung durch den Abbau von Gold dokumentiert haben. Orcade ist seit 2015 unsere Partnerorganisation. Wird in Burkina Faso eine neue Goldmine eröffnet, werden die Mitarbeitenden aktiv. 

Die Partnerorganisation Ambiente y Sociedad ist eine Klima- und Umweltorganisation aus Kolumbien, die sich auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene für Anliegen von indigenen und lokalen Gemeinschaften einsetzt. 2020 untersuchte die Organisation in einer Studie, wie die internationalen Klimaversprechen von Kolumbien in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei zeigte sich, dass die nationalen Kontrollmechanismen der Umsetzung der Pariser Klimaverträge verbessert werden müssen. 2022 wurde die Studie mit einer Analyse zur sozialen Nachhaltigkeit von erneuerbaren Energieprojekten aktualisiert und ergänzt. In Kolumbien werden die internationalen Verpflichtungen mittels sektoriellen und regionalen Umsetzungsplänen konkretisiert und verwirklicht. Ambiente y Sociedad begleitet diese Prozesse und nutzt die dabei gewonnenen Erkenntnisse zur Sensibilisierung für Klimagerechtigkeit.  

Batay Ouvriye ist ein Zusammenschluss von gewerkschaftlichen Basisorganisationen, Arbeiter:innen-Komitees sowie Arbeiter:innen aus dem Industrie- und Landwirtschaftssektor. Die Partnerorganisation unterstützt diese Gruppen, bildet ihre Mitglieder in arbeitsrechtlichen Fragen weiter und leistet in Konfliktfällen Rechtsbeistand. Ein wichtiger Fokus liegt auf den Freihandelszonen im Nordwesten des Landes, in denen internationale Konzerne Textilien fertigen lassen. Dabei werden die Rechte der Arbeitnehmenden systematisch verletzt: Laut einem Bericht der Organisation Better Work (getragen von ILO und Weltbank) werden in 84 Prozent der Fabriken weder Sicherheits-, Gesundheits- noch Hygienestandards eingehalten – die Arbeiterinnen und Arbeiter müssen in grosser Hitze arbeiten und staubgeschwängerte Luft einatmen. Zudem sind die Sanitäranlagen in miserablem Zustand. Überstunden werden erzwungen und oft nicht entschädigt. Teilweise werden nicht einmal die gesetzlichen Minimallöhne bezahlt, die kaum zum Überleben reichen. Batay Ouvriye ist es gelungen, die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Freihandelszone zu organisieren und eine eigene Gewerkschaft aufzubauen, die sich für ihre Rechte einsetzt, mit den Fabrikbesitzern verhandelt und insbesondere die Arbeiterinnen stärkt.

Fastenaktion dankt allen Spenderinnen und Spendern, Stiftungen, Kantonen, Gemeinden, Kirchgemeinden, Pfarreien, Landeskirchen und Firmen für die Unterstützung und Zusammenarbeit. Ausserdem danken wir der DEZA für den im Rahmen der Alliance Sufosec* erhaltenen Programmbeitrag.

*Die Alliance Sufosec ist ein Zusammenschluss von sechs Schweizer NGOs, die sich gemeinsam für nachhaltige Ernährung weltweit einsetzen

Fastenaktion – Gemeinsam Hunger beenden

Die Stiftung Fastenaktion hat folgende Zwecke:

  • Unterstützung der Arbeit und der Projekte von Entwicklungsorganisationen und Kirchen zugunsten wirtschaftlich und sozial benachteiligter Menschen weltweit, mit Schwergewicht auf Afrika, Asien und Lateinamerika  
  • Beteiligung an der entwicklungspolitischen Meinungs- und Entscheidungsbildung  
  • Förderung der weltweiten Solidarität von Bevölkerung und Kirche in der Schweiz durch Information und Bewusstseinsbildung in ökumenischer Zusammenarbeit, insbesondere während der Fastenzeit  

Impressum

Herausgeber: Fastenaktion Schweiz, Luzern
Redaktion: Ralf Kaminski
Illustrationen: Skiss GmbH, Luzern
Bilder: Fastenaktion
Onlinegestaltung: Ralf Kaminski, Manolito Steffen