Kalebassen und Klimawandel

Eine Reise durch den Senegal in Zeichnungen


Die Kunststudentin Sofia Poku (24) verbrachte im Auftrag von Fastenaktion drei Wochen im Senegal und dokumentierte ihre Beobachtungen mit Zeichnungen. Sie wurde vom senegalesischen Künstler Mahanta Fall (41) begleitet, der seine Eindrücke ebenfalls festhielt. Eine Auswahl der Bilder finden Sie in diesem Beitrag, angereichert mit Kommentaren von Sofia. Diese werden von der Programmverantwortlichen Vreni Jean-Richard (in roter Schrift) ergänzt und eingeordnet.

Sofia war im Senegal häufig im Auto unterwegs, bei enormer Hitze.

«Man fährt und fährt und die Sonne scheint immer grösser zu werden und auf einen runterzubrennen. Es ist unglaublich hell, glühend. Mit Klimaanlage im Auto erträglich, aber draussen auf der Strasse einfach brutal.»

Die Solidaritätsgruppen

Sie besuchte auf ihrer Reise einige Solidaritätsgruppen, die Geld in Kalebassen sammeln.

«Dieses traditionelle Gefäss wird aus einem Kürbis hergestellt, der halbiert, ausgehöhlt und getrocknet wird. Die Kalebasse hat eine uralte kulturgeschichtliche Tradition im Senegal. Man hätte für die Kollekte ja auch eine Plastikschüssel nehmen können, was aber nicht den gleichen Charakter hätte.»

Die Solidaritätsgruppen bestehen vor allem aus Frauen. Sie versammeln sich einmal pro Woche, um sich auszutauschen und gemeinsam Geld zu sparen.

«Die Entspanntheit der Frauen und das Gemeinschaftsgefühl haben mich fasziniert, ebenso ihre Stärke und ihr Selbstbewusstsein. Sie bilden eigentlich das Rückgrat des Landes. Bei diesen Treffen besprechen sie ihre familiären Sorgen und geben einander Zuspruch.

Genauso bunt und unterschiedlich wie ihre Kleider, sind auch ihre Mitglieder. Ob jung oder alt, aus dem Süden oder Norden, Christin oder Muslima: Alle kommen zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Ich habe mich gleich wohlgefühlt, und sie wollten auch meine Meinung hören, egal was mir gerade durch den Kopf ging.»

Das Geld, das bei den Treffen gesammelt wird, landet diskret unter einem Tuch in der Kalebasse, so dass niemand sieht, wie viel oder wie wenig jemand gibt.

«Manchmal haben Teilnehmerinnen gerade kein Geld, das sie weitergeben können. Dann werfen sie einfach einen Stein unter dem Tuch hinein, so dass es klimpert wie bei einer Münze. Das Tuch ist normalerweise weiss, was für Ehrlichkeit steht.

Ich finde es schön, dass auf die Bewahrung der eigenen Integrität geachtet wird. Neid und Beschuldigungen können so ganz einfach umgangen werden.»

Fastenaktion unterstützt diese Solidaritätsgruppen im ganzen Land. Sie haben neben der Absicherung der Mitglieder und ihrer Familien einen starken sozialen und friedensfördernden Effekt. Heute gibt es in ganz Senegal über 2200 Kalebassen, die 73'000 Familien absichern. Die Solidaritätsgruppen sind über Netzwerke verbunden, unterstützen sich gegenseitig und vertreten ihre Anliegen gegenüber den Behörden.

So sieht Mahanta die Solidaritätsgruppen im Senegal.

Die Gastfreundschaft

«Der Senegal ist ein mehrheitlich muslimisches Land, in dem Gastfreundschaft eine wichtige Rolle spielt. So wird man oft gleich beim ersten Gespräch auf einen Grüntee oder zum Essen nach Hause eingeladen. Und manche spontane Gastgeber:innen waren sehr enttäuscht, wenn wir aufgrund unseres vollen Tagesprogramms ablehnen mussten.

Wenn es jedoch klappte mit der Einladung, gab es immer riesige Portionen. Schaffte ich es dann nicht, im Alleingang ein ganzes Poulet samt einem Kilo Reis aufzuessen, hörte ich immer den Spruch: 'Il faut bien manger, Sofia!' Das passierte mindestens zweimal täglich.

Oft jedoch isst man im Senegal gemeinsam aus einem grossen Teller. Das verdeutlicht, wie sozial und eng verbunden man hier miteinander lebt. Und obwohl es nach wie vor viel Nahrungsknappheit gibt im Senegal: Wenn man Gäste bewirtet, dann deftig, mit viel Fleisch und Reis und sehr grosse Portionen.»

Die Nahrungsknappheit im Senegal ist zyklisch, da es pro Jahr nur eine Regenzeit bzw. Ernte gibt. Die Knappheitsperiode dauert mehrere Monate und wird Soudure genannt. In dieser Zeit verschulden sich viele Familien, und die Preise für die Nahrungsmittel sind sehr hoch. Ausserdem ist es die Zeit der Malaria und des Schuljahresbeginns, weshalb die Kosten für Gesundheitsdienste und Schulgebühren steigen. Darauf hat die Kalebasse eine Antwort: Sie verleiht diskret zinslose Darlehen, wenn es bei einer Familie nicht reicht. Diese werden nach der Ernte zurückbezahlt, wenn die Speicher wieder voll sind.

So sieht Mahanta die senegalesische Esskultur.

Die Farben

«Der Senegal ist ein sehr buntes Land. Überall findet man eine Fülle verschiedener Farben und Formen. Vor allem im Norden gibt es eine Vorliebe für Batik-Muster.»

«Frauen tragen besonders gern Kleidung mit solchen Kaleidoskop-Mustern. Dezenter, minimalistischer Stil ist hier nirgends angesagt.»

Farben und Muster sind Teil der Tradition; die Kleidung gehört zur Identität und ist sehr wichtig für das soziale Leben. Viele ethnische Gruppen stellen ihre eigenen traditionellen Stoffe her, und jedes Muster der westafrikanischen Textilkunst hat einen eigenen Namen und eine Bedeutung. Mit der bunten und gepflegten Kleidung zeigen die Frauen, dass die Treffen ihnen wichtig sind. An grösseren Anlässen kleiden sich die Teilnehmenden oft mit identischen Stoffen, um ihre Zusammengehörigkeit zu unterstreichen.

So sieht Mahanta die farbenfrohe Welt des Senegal.

Die Natur

«Ehrlich gesagt war ich etwas verblüfft, wie viel Grün und wie viele Bäume es auch im trockenen Norden Senegals gibt. Allerdings war ich auch während der Regenzeit unterwegs.»

«Die lokale Bevölkerung hat einen starken Bezug zu ihrem Fluss, dem Senegal, der gleichzeitig auch die Grenze zu Mauretanien darstellt. In seiner Nähe ist alles etwas grüner. Allerdings nehmen die Wasserprobleme in der Region jedes Jahr weiter zu, auch wegen der Klimaerwärmung.

Doch solange der Fluss noch Wasser hat, gibt es auch Zuversicht und Hoffnung. Die Landwirtschaft und damit ein wichtiger Teil der Wirtschaft hängt nur von ihm ab.»

Im Norden des Landes (Sahelzone) ist es nur wenige Monate grün. Wenn das Gras abgeweidet ist, ist die Luft voll feinem Staub, und alle Oberflächen werden nach und nach braunrot, sogar die verbliebenen Blätter der Bäume. Mit der Trockenheit nehmen auch die Probleme der lokalen Gesellschaft zu. Ohne Wasser ist weder Land- noch Viehwirtschaft möglich. Dann ziehen die Männer und grössere Jungen mit dem Vieh auf der Suche nach Weiden ins Ungewisse. Die Alten, die Frauen und kleine Kinder bleiben ohne Unterstützung zurück. Deshalb ist die Kalebasse so wichtig: Sie bietet ein soziales Sicherheitsnetz für die Zurückgebliebenen.

Dies ist Mahantas Blick auf Wasser und Natur.

Die Arbeit

«Die Menschen im Senegal arbeiten hart, bei enormer Hitze. Dieser Mann pflügt bei etwa 45 Grad Lufttemperatur mit seinem Pferd den Boden und bereitet ihn für die Weiternutzung auf.»

Für landwirtschaftliche Aktivitäten sind die klimatischen Bedingungen besonders schwierig. Die Menschen versuchen, möglichst viele Arbeiten in den frühen Morgenstunden oder gegen Abend zu erledigen.

«Man trifft im Norden des Senegal regelmässig Rinderherden an, deren Tiere recht abgemagert aussehen. Meist hat es in der Nähe Hirten, oft Jungen, die mit den Herden mitziehen. Sie helfen ihren Vätern, häufig aber passen sie auch ganz allein auf das Vieh auf.»

«Die Frauen, die im Dorf zurückbleiben, leisten ebenfalls körperlich schwere Arbeit. Hier trägt eine Brennholz auf dem Kopf, das sie zum Kochen benötigt.

Die Frauen spielen eine zentrale Rolle in der Familie. Sie sind fast alleine für den Haushalt zuständig und müssen zusätzlich oft noch einer weiteren beruflichen Tätigkeit nachgehen, etwa auf dem lokalen Markt. Mich hat das sehr beeindruckt.»

Die Frauen tragen viel Verantwortung. Sie sind für den Haushalt, die Kindererziehung, einen grossen Teil der Ernährung und die Gesundheit der gesamten Familie verantwortlich. Wenn die Männer weg sind, müssen sie auch alle kurzfristig anfallenden Ausgaben übernehmen.

Und so sieht Mahanta die Arbeit von Frauen im Senegal.

Die Dürre

«In Teilen des Landes führt die anhaltende Trockenheit und enorme Hitze jedoch auch zu solchen wüstenähnlichen Landschaften. Unter diesen Bedingungen verschwindet das Leben wortwörtlich.

Deshalb sieht man von der Strasse aus auch immer wieder totes Vieh. Die Tiere leiden sehr unter der Trockenheit, und wenn sich eine Familie kein zusätzliches Futtermittel leisten kann, verhungert das Vieh – oder es muss verkauft werden.»

In den letzten Jahren werden im Senegal regelmässig Hitzerekorde gebrochen, es kann in der Sahelzone bis zu 50° Celsius heiss werden. Die Regenzeit wird kürzer und der Regen unberechenbarer. Es gibt immer weniger Vegetation, die diese Bedingungen aushält.

Mahantas Darstellung der Dürre im Land.

Hitze und Magenprobleme

«Auch ich kämpfte mit der Hitze während ich bei meiner Gastfamilie lebte. Die Situation der Skizze oben links bleibt immer in meinem Herzen: Ich lag wieder mal im Wohnzimmer auf dem Sofa und suchte bei der Klimaanlage etwas Abkühlung, da die Ventilatoren in meinem Zimmer einfach nicht ausreichten.

Den Kindern im Haus ging es genauso wie mir. Zwar hatten die Erwachsenen ihnen eingeschärft, mich nicht zu stören, dennoch kamen sie eins nach dem andern vorsichtig ins Wohnzimmer. Und so lagen wir sicher eine Stunde alle gemeinsam dort rum und versuchten, uns abzukühlen. Ein schöner gemeinsamer Moment.»

«Zur Hitze kamen noch Magenprobleme hinzu. Hier sieht man, wie ich mich vor lauter Bauchschmerzen, Fieber und Übelkeit in ein kleines Häufchen Elend verwandle.

Ich hatte den Fehler gemacht, Wasser aus der Zisterne im Hof statt aus einer gekauften Wasserflasche zu trinken. Das Wasser aus der Zisterne wird immer wieder mit Leitungswasser aus Petflaschen aufgefüllt. Ich nahm an, das wäre schon okay, aber da lag ich leider falsch. Ich bekam den schlimmsten Durchfall meines Lebens, und das bei über 40 Grad Hitze. Immodium wurde mein bester Freund.»

«Hier liege ich erschöpft mit der schlimmsten Magendarmgrippe meines Lebens auf dem Sofa im Wohnzimmer. Dieser Raum jedoch wird auch gerne von den Männern zum Gebet genutzt. Als sie reinkamen, wollte ich gleich aufstehen und den Raum verlassen, damit sie in Ruhe geschlechtergetrennt beten können. Aber mein Gastvater bestand darauf, dass ich liegen bleibe. Bis heute stelle ich mir gerne vor, sie hätten auch für meine Gesundheit mitgebetet.»

Für eine:n senegalesische:n Gastgeber:in ist es sehr schwierig, wenn es dem Gast nicht gut geht. Sie fühlen sich verantwortlich für sein Wohlergehen und scheuen keine Mühe, dieses sicherzustellen. Beim Besuch von Sofia fuhren die Gastgeber:innen weite Strecken, um ihr Medikamente und Getränke zu organisieren. Schliesslich wurde ein Transport zurück in die Stadt organisiert, wo Sofia der Obhut der Programmkoordination übergeben wurde, die sich um sie kümmerte.

Die klimatischen Bedingungen sind für Europäer:innen sehr schwierig, aber auch für die Menschen, die dauerhaft im Sahel leben. Besonders kleine Kinder und alte Menschen leiden unter der Hitze und spüren die gesundheitlichen Folgen.

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Über Fastenaktion

Die Vision von Fastenaktion ist eine gerechte Welt ohne Hunger. Nahrung ist ein Menschenrecht und dafür stehen wir jeden Tag ein! In 14 Ländern des globalen Südens verbessern wir gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen das Leben von Millionen Menschen. Im Zentrum unseres Handelns stehen immer die Menschen mit ihren Bedürfnissen.

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Impressum

Herausgeber: Fastenaktion Schweiz, Luzern
Redaktion: Ralf Kaminski
Bilder: Sofia Poku, Mahanta Fall, Ababacar Gueye
Onlinegestaltung: Ralf Kaminski, Manolito Steffen