Im Schatten des Kobaltbooms
Im Südosten der Demokratischen Republik Kongo baut Glencore in zwei riesigen Minen Kupfer und Kobalt ab. Der Schweizer Rohstoffkonzern schreibt satte Gewinne, doch die Bevölkerung rund um seine kongolesischen Minen profitiert kaum davon. Sie lebt in Armut, leidet unter der Verschmutzung von Luft und Böden und hat ungenügenden Zugang zu Wasser und medizinischer Versorgung.
Seit langer Zeit setzen sich Brot für alle und Fastenopfer und ihre lokalen Partnerorganisationen im Kongo für die Rechte dieser Menschen ein. Sie kämpfen für die Verbesserung der Umwelt- und Menschenrechtssituation. Und sie unternehmen alles, damit Glencore mehr Verantwortung übernimmt, für Schäden geradesteht und gerechte Kompensationen zahlt. Manchmal gelingt dies, manchmal nicht.
Diese Reportage nimmt Sie mit in die Quartiere der Minenstadt Kolwezi und in die Dörfer in der Nähe der Minen. Sie zeigt, unter welchen Bedingungen die Menschen dort leben. Und was wir tun können, um sie in ihrem Kampf für Entwicklung und für ein besseres Leben zu unterstützen.
Willkommen in Kolwezi
Auch wenn man mit geschlossenen Augen durch die Strassen ginge, würde man merken, dass diese Stadt keine gewöhnliche Stadt ist. Der Verkehr lärmt, das Hupen ist penetrant, und aus kleinen Läden dröhnt Musik. Wie überall in afrikanischen Städten halt. Doch hier liegt über allem ein tiefes Brummen, das man kaum mehr los wird, ein Scheppern und Dröhnen, rund um die Uhr, Tag und Nacht.
Es kommt von Baggern, die hinter Abraumhalden Felsbrocken in Laster schaufeln, oder von Förderbändern, die Geröll in Steinbrecher rumpeln lassen. Mitten in der Stadt. Blickt man um sich, wird es deutlicher. Im Verkehrskreisel stehen monströse Baumaschinen, Plakate werben für eine Bar, die «Mining Cocktails» serviert. Auf allen Zufahrtsstrassen sind Sattelschlepper unterwegs, beladen mit Metallplatten. Und Tanklastwagen, die Säure transportieren.
Das ist Kolwezi, die Stadt der Minen. Rund 500'000 Menschen leben hier, ganz im Südosten der Demokratischen Republik Kongo, in der Region Katanga, mitten im zentralafrikanischen Kupfergürtel, der sich hinüberzieht ins nahe Sambia. Kolwezi ist das Zentrum des kongolesischen Kupferbergbaus. Doch als Nebenprodukt wird hier ein viel wertvolleres Metall aus dem Boden geholt, ohne das die Welt, wie wir sie kennen, nicht funktionieren würde: Kobalt.
Kobalt wurde früher zur Färbung von Glas verwendet, wo es einen blauen Ton ergab. Heute ist es zentraler Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien. Deren Name täuscht, denn sie enthalten wenig Lithium, aber viel Kobalt. In jedem Smartphone-Akku sind zehn Gramm enthalten. Gewichtiger noch: In den Batterien jedes Elektroautos stecken rund acht Kilo Kobalt.
Eine Stadt im Kobaltrausch
Zwei Drittel der globalen Kobaltproduktion stammen aus dem Kongo, das meiste aus der Region Kolwezi. Hier stehen sechs der zehn grössten Kobaltminen der Welt, hier liegen 60 Prozent der globalen Reserven. Die steigende Nachfrage nach Batterien für Elektrofahrzeuge liess den Preis des Metalls zwischen Februar 2016 und März 2018 um 400 Prozent auf 95'000 US-Dollar pro Tonne emporschnellen. Nach einer Ausweitung der Produktion liegt er zwar wieder deutlich unter dem Spitzenwert, die Nachfrage nach leistungsfähigeren Akkus und damit nach Kobalt bleibt aber hoch.
Kolwezi befindet sich jedenfalls immer noch im Kobaltrausch. Zehntausende von Menschen – aus anderen Regionen des Kongo, aber auch aus anderen Ländern Afrikas – sind in den letzten Jahren hierhin geströmt, um ihr Glück im Kleinbergbau zu suchen. Rund 120'000 meist junge Männer sind es inzwischen, und sie lassen in Kolwezi keinen Stein auf dem anderen. Sie graben direkt unter Hütten und Häusern, treiben 80 Meter tiefe Schächte in den Boden, durchkämmen Abraumhalden und Schlacke. Sie tragen das Erz in Säcken auf den Schultern, laden es auf Fahrräder, in Minibusse und Kleinlaster. Ziel sind die Comptoirs von Musompo, draussen vor der Stadt. Dutzende von Bretterbuden ziehen sich der Strasse entlang, wo die Kleinschürfer das Kobalt an meist chinesische Händler verkaufen.
Doch das wirklich grosse Geld wird an einem anderen Ort gemacht: In den riesigen Tagebauminen, welche die Stadt umringen und tiefe Narben ins Land geschlagen haben. Stadt oder Mine, Mine oder Stadt, in Kolwezi sind die Grenzen fliessend. Aus den Fenstern mancher Häuser blickt man direkt in den Schlund eines Bergwerks, direkt hinter Läden und Gärten türmen sich die Abraumhalden, auf denen Bewaffnete mit Hunden patrouillieren.
Marktführer Glencore
Auch im industriellen Bergbau haben mehr und mehr chinesische Firmen Einzug gehalten. Doch die ergiebigsten Kupfer- und Kobaltadern Kolwezis sind im Besitz eines Schweizer Konzerns: Der Zuger Rohstoffgigant Glencore kontrolliert die Kamoto Copper Company (KCC), die direkt an die Quartiere Kolwezis grenzt. Und 20 Kilometer ausserhalb liegt Glencores gigantische Tagebaumine Mutanda Mining (Mumi). Beide Minen zusammen sind grösser als der ganze Kanton Basel-Stadt.
Fast die gesamte Kobaltproduktion Glencores stammt aus diesen beiden Minen, welche die Schweizer Firma mit einem Anteil von rund 30 Prozent zum globalen Marktführer machen. Glencore will diese Position ausbauen, denn der Konzern rechnet wegen der boomenden Elektromobilität mit weiterhin steigender Nachfrage nach Kupfer und Kobalt. Im Jahresbericht 2017 schreibt Glencore, man wolle die Produktion von Kobalt bis 2020 um 133 Prozent erhöhen.
Glencore erzielte 2017 einen Umsatz von 205 Milliarden Dollar und einen Gewinn von fast sechs Milliarden Dollar. Der Profit für die Menschen in den Quartieren von Kolwezi und in den Dörfern rund um die Minen geht indessen gegen Null. Obschon in ihrem Boden immenser Reichtum liegt, leben die meisten von ihnen in bitterer Armut. Und sie bekommen immer wieder am eigenen Leib zu spüren, was Rohstoffabbau bedeutet: verdreckte Luft, verschmutztes Wasser, verseuchte Böden.
David gegen Goliath
Sich gegen die Minenkonzerne zu wehren, ist nicht einfach. Die kongolesische Justiz funktioniert nur mangelhaft, viele Menschen in den Quartieren und Dörfern um die Minen haben kaum Zugang zu Bildung und kennen ihre Rechte nicht. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Seit vielen Jahren bekommt die Bevölkerung jedoch Unterstützung von Partnerorganisationen von Fastenopfer und Brot für alle. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisationen Afrewatch und CAJJ (Zentrum für juristische Hilfe) kennen die Lage vor Ort und haben direkte Kontakte zu den Menschen in den Dörfern und den Quartieren der Stadt.
«Die Bevölkerung profitiert nicht von den Minen, sie lebt in erbärmlichen Verhältnissen. Den Menschen fehlt es an allem: an Wasser, an Stromversorgung, sie leben in einer verschmutzten Umwelt, haben keinen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung.»
Die Partnerorganisationen dokumentieren, wenn Schadstoffe in Flüsse und auf Felder fliessen. Sie nehmen Wasser- und Bodenproben, sie messen die Luftqualität. Sie schreiben Berichte, kontaktieren die lokalen Behörden und die Vertreter von Glencore. Sie setzen Druck auf, ziehen wenn nötig vor Gericht und kämpfen zusammen mit der lokalen Bevölkerung für gerechte Entschädigungen und die Verbesserung der Menschenrechts- und Umweltsituation. Und mit der Veröffentlichung von Berichten in der Schweiz sorgen Brot für alle und Fastenopfer dafür, dass dieser Kampf auch international Widerhall findet.
Was wurde damit erreicht? Ein Augenschein in den städtischen Quartieren Musonoi und Luilu und in den Dörfern Moloka und Kaindu zeigt, was sich verbessert hat. Und was immer noch im Argen liegt. Die Menschen in all diesen Orten sind von den Auswirkungen des Rohstoffabbaus ganz direkt betroffen.
«Es gibt eine massive Diskrepanz zwischen den riesigen Investitionen in die Minen und dem Elend, in dem die Menschen hier leben müssen. Es ist nicht nur die himmelschreiende Armut. Gleichzeitig leiden die Menschen unter der Verschmutzung, die von den Minen ausgeht.»
Musonoi und Luilu grenzen an die Kamoto Copper Company, Moloka und Kaindu an Mutanda Mining. Beide Minen gehören Glencore.
Musonoi und Luilu grenzen an die Kamoto Copper Company, Moloka und Kaindu an Mutanda Mining. Beide Minen gehören Glencore.
Musonoi
Ein Bidonville wartet auf Wasser
Wenn ein Ort den Namen «Bidonville» verdient, dann Musonoi. Nicht weil das Quartier das allerschlimmste der Elendsviertel rund um Kolwezi wäre. Immerhin gibt es gemauerte Häuser mit Giebeldächern, nicht bloss Bretterbuden. Sondern wegen all der knallgelben Kanister, die hier das Strassenbild beherrschen.
Frauen und Kinder tragen diese Bidons mit sich. An Seilen zusammengebunden und locker über die Schultern gehängt, solange sie leer sind, schwer wie Mühlsteine am gestreckten Arm, wenn sie voll sind. So schafft niemand mehr als zwei Stück auf einmal. Ausser man knüpft sie an eines der Fahrräder, die am Nachmittag durch die staubigen Strassen kurven.
Zwischen 15 und 19 Uhr fliesst für zwei, drei Stunden Wasser in den zwei Leitungen, die sich durch Musonoi ziehen. Dann strömen alle zu den Zapfstellen, füllen ihre Kanister, und die Fahrradtransporteure machen ihr Geschäft: 500 kongolesische Francs kostet eine Fahrt, rund 30 Rappen. Wer das nicht hat, braucht Muskeln. Oder einen starken Nacken. Oder viele Kinder, die helfen. Am besten alles zusammen.
50'000 Menschen leben in Musonoi. Die Häuser stehen eng, auf drei Seiten eingeschlossen von der Glencore-Tochter Kamoto Copper Company (KCC). Vor der Privatisierung des Rohstoffsektors im Kongo und dem Verkauf der Lizenzen an ausländische Investoren wie Glencore vor rund 15 Jahren gehörte hier alles der staatlichen Firma Gécamines. Damals sei es besser gewesen, sagt Jean Kasongo, der in Musonoi das lokale Komitee von Afrewatch leitet, einer Partnerorganisation von Brot für alle und Fastenopfer. Das Wasser sei geflossen, überall, Tag und Nacht.
Auf einem Plan erklärt er uns, was er meint. Rot markiert sind die Häuser, die keinen direkten Zugang zu Wasser haben. Es sind heute rund 80 Prozent. Kasongos nostalgische Gefühle für die guten alten Zeiten mögen übertrieben sein, denn es war die Misswirtschaft bei Gécamines, welche die Infrastruktur zerfallen liess. Tatsache ist aber, dass auch die neuen Schweizer Patrons bisher wenig getan haben, um daran etwas zu ändern.
KCC habe mehrmals versprochen, die Wasserversorgung instand zu stellen, beteuert Jean Kasongo. Aber immer wieder höre er, man müsse sich zuerst auf das Quartier Luilu auf der anderen Seite der Mine konzentrieren, wo es auch kein Wasser gebe. Zudem liege es in der Verantwortung der Regierung, so KCC, für eine funktionierende Wasserversorgung zu sorgen. Immerhin zahle Glencore Abgaben und Steuern.
«Wasser ist Leben. Das ist das, wonach wir uns sehnen in unserem Quartier. Vor drei Jahren hat Glencore versprochen, drei Brunnen zu bauen. Letztes Jahr wieder. Geschehen ist bisher nichts.»
Die Menschen in Musonoi sehen indessen eher die «Musungu» in der Pflicht, die Weissen, die mit den Rohstoffen das grosse Geld machen. «Mai Mai» rufen sie uns auf der Fahrt durch das Quartier immer wieder zu: «Wasser Wasser.» Auch Berthe Mpala, die wir an einer der Zapfstellen treffen, hat das ewige Warten satt. Die Mutter von acht Kindern braucht für ihre Familie täglich zehn Bidons, die sie abfüllen und nach Hause tragen muss. Denn die Kosten für den Velotransport kann sie sich nicht immer leisten.
«Ich brauche mindestens zehn Kanister Wasser für meine Familie. Das kostet mich jeden Tag vier Stunden Arbeit.»
Fluchtpunkt Kirche
Viele Menschen im Quartier hätten wie «Mama Berthe» kaum Geld für den Transport per Fahrrad, sagt Abbé Jean Pascal, Pfarrer der katholischen Kirchgemeinde St. Jean, den wir am Sonntag gleich nach der Messe treffen. Deshalb müssten die Kinder helfen beim Wasser schleppen. «Acht- und Neunjährige tragen Bidons mit 20 Litern Wasser über grosse Distanzen», erklärt Jean Pascal, man könne sich ja vorstellen, was das für die Gesundheit der Kinder bedeute.
Die katholische Kirche ist in Musonoi eine der wenigen Institutionen, die sich ohne Wenn und Aber für die Bedürfnisse der Bevölkerung einsetzt. Sie betreibt Schulen, Gesundheitszentren und Ausbildungsstätten für Jugendliche, sie interveniert bei Behörden und Rohstoffunternehmen. «Und sie engagiert sich auch politisch und setzt sich für faire Wahlen ein», fügt Schwester Nathalie Kangaji hinzu, die Leiterin der Organisation CAJJ, die von Fastenopfer und Brot für alle unterstützt wird.
Für Soeur Nathalie hat die Kirche aber noch eine ganz andere Funktion: «Sie hält die Gemeinschaft zusammen und bietet Unterhaltung.» Entsprechend voll sind die Kirchenbänke am Sonntag in der Kirche St. Jean. Die Luft ist voller Weihrauch, der Chor schmettert ein Lied nach dem anderen, die Menschen singen und tanzen, während mehrerer Stunden. Zuversicht und Lebensfreude sind greifbar, die Kirche ist zum Fluchtpunkt vor dem schwierigen Alltag geworden.
Staub in den Lungen
Die Sorge um das tägliche Wasser ist nicht das einzige Problem, das diesen Alltag prägt. Immer wieder weht der Wind Staubwolken von der Kamoto-Mine über Häuser und Gärten. Kein Wunder, denn die himmelhohen Abraumhalden grenzen direkt an das Quartier, höchstens getrennt durch den elektrischen Zaun, mit dem Glencore seinen Besitz vor Eindringlingen zu schützen versucht.
Ein Besuch in den Gesundheitszentren des Quartiers bestätigt dies. In der Trockenzeit erkrankten viele Menschen an Husten und Bronchitis, sagt die Krankenschwester Véronique Kakoma-Mwika im Zentrum Unoja, das von der Kirchgemeinde St. Jean betrieben wird. Kein Wunder: Afrewatch mass im Mai 2018 in Musonoi Grobpartikel-Werte (PM10) zwischen 150 und 275. Das ist bis zu fünfmal so viel wie der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO, der für das Tagesmittel bei 50 liegt.
Krasse Gegensätze
Auch das Personal im Gesundheitszentrum Bora, ein paar Strassen weiter, ist besorgt. Man behandle hier viele Patienten mit Durchfall und Hepatitis, Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser übertragen werden. In der Trockenzeit, wenn der Staub durch die Strassen weht, kämen dann die Erkrankungen der Atemwege hinzu. «Das beginnt meist mit Husten», erläutert ein Arzt, und nicht selten entwickle sich daraus eine Lungenentzündung.
«Erkrankungen der Atemwege sind häufig, vor allem in der Trockenzeit. Da hat es zu viel Staub in den Strassen, von den Lastwagen. Und wenn es regnet, ist alles voller Schlamm.»
«Wir baten schon oft, die Strassen zu asphaltieren», beteuert Jean Kasongo, aber: «KCC ashitufaniye kitu.» Es ist dieser eine Satz in der Lokalsprache Swahili, den man hier immer wieder hört: «KCC tut nichts für uns.» Zugegeben, das stimmt nicht ganz. In Musonoi unterstützt die Glencore-Mine KCC eine Schreinerei, hat Schulen renoviert, spendet Schulmaterial und Essen für Schullager. Aber für Jean Kasongo fehlt ein Konzept, das die wirklich wichtigen Bedürfnisse der Menschen aufnimmt: sauberes Wasser, zuverlässige Stromversorgung, bessere Strassen.
«Glencore nimmt nur und gibt nichts.» Letztlich ist es wohl der schier unfassbare Gegensatz zwischen der himmelschreienden Armut der Menschen rund um die Minen und dem Überfluss in den Ländern, in denen die Produkte aus Kongos Rohstoffen konsumiert werden, der viele Menschen zu solchen Aussagen bringt. Und so fragen sich viele in Musonoi: «Wie kann es sein, dass wir nichts und die alles haben, wenn der Reichtum doch direkt unter unseren Füssen liegt?»
Nirgends in Musonoi wird dies so augenfällig wie in den Gesundheitszentren. Véronique Kakoma zeigt uns das Mikroskop in dem winzigen Raum, den sie scherzhaft «unser Labor» nennt. Es ist seit langem defekt. Im Zentrum Bora liegen Toilette und Duschen draussen in einem staubigen Hof. Die Wände der Krankenzimmer sind schimmlig, die Matratzen starren vor Schmutz. Hand aufs Herz: Als europäischer Besucher betet man, hier nicht ernsthaft zu erkranken. Die Menschen in Musonoi kennen nichts anderes.
Erfolg dank Hartnäckigkeit
Immerhin gibt es auch Fortschritte und Erfolge. Die von Afrewatch unterstützte Vereinigung für die Entwicklung von Musonoi hat seit Jahren bei KCC und der Provinzregierung für die Asphaltierung der Strasse zwischen Kolwezi und Kapata gekämpft, die südlich von Musonoi vorbeiführt. Ende 2018 wurde nun die erste Schicht Teer gelegt, eine zweite wird folgen. Und Diskussionen über die Sanierung einiger Strassen innerhalb des Quartiers sind im Gang.
Der Staub der Abraumhalden wird weiter über Musonoi wehen, doch die Befestigung der Strassen wird Erleichterung bringen. Richard Ilunga ist zufrieden, der Einsatz habe sich gelohnt, findet der Programmdirektor von Afrewatch. Aber es zeige auch, dass man nur etwas erreiche, wenn man hartnäckig bleibe. Denn ohne Druck der Zivilgesellschaft bewegten sich Rohstoff-Firmen und Regierung selten: «Voilà, so ist es eben», sagt Richard Ilunga, «leider.»
Luilu
Überall Staub
Wir fahren hinüber nach Luilu, in das Quartier am nördlichen Rand der Kamoto Copper Company (KCC). Wir waren gewarnt worden: Wer die «National 39» nehme, müsse sich auf eine wilde Fahrt gefasst machen. Die Strasse ist zwar die Hauptverkehrsverbindung nach Westen, an die Grenze zu Angola. Doch sie ist unbefestigt und voller Buckel und Dellen – und voller Verkehr.
Immer wieder donnern Sattelschlepper auf uns zu, vier, sechs, acht, dicht hintereinander. Auf der Ladefläche, festgezurrt unter Blachen, liegt die kostbare Fracht: Kobalt und Kupfer, die von der Glencore-Tochter KCC und anderen Minen über Sambia an die Häfen des Indischen Ozeans gefahren werden. Jeder Laster wirbelt neue Wolken gelben Staubs auf, die der Wind in langen Fahnen übers Land weht.
Der Streifen entlang der N39 ist dicht besiedelt, Häuser, Gärten, Verkaufsstände ziehen sich der Strasse entlang. Dröhnt ein Konvoi vorbei, wird der Staub so dicht, dass die andere Strassenseite im Nebel verschwimmt: Dämmerung am helllichten Tag. Will man Unfälle vermeiden, fährt man besser mit Schweinwerfern.
Wir halten an und messen die Luftqualität. Das Gerät leuchtet dunkelrot: «HAZARDOUS» (gefährlich). Die Belastung mit Feinstaub (PM2.5) liegt bei «500+» , der Wert ist so hoch, dass ihn das Gerät nicht exakt messen kann. Zum Vergleich: Der von der Weltgesundheits-Organisation WHO empfohlene Tagesgrenzwert liegt bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter; am Rand der Strasse liegt der Wert 20-mal höher.
Was das für die Menschen bedeutet, die hier leben, kann man sich ausmalen. Der Zusammenhang zwischen Staubbelastung und schweren Krankheiten wie Bronchitis, Asthma und Lungenkrebs ist unbestritten. Und die Werte sind nicht nur an der Durchgangsstrasse hoch, sondern auch in Luilu selbst. Hier messen wir die grösseren Partikel (PM10) und kommen auf ähnliche Werte wie im Zentrum von Musonoi: 150 bis 230 Mikrogramm pro Kubikmeter, drei- bis fünfmal mehr als der Tagesmittel-Grenzwert der WHO.
Die Verantwortlichen von Glencore betonen, die Strasse werde auch von Lastwagen anderer Minen benutzt. Und ihre Tochter KCC sei das einzige Unternehmen, das sie bewässere, um die Staubemissionen zu reduzieren. Doch die Einwohner Luilus lassen das Argument nicht gelten. Die Tanklastwagen seien unterwegs, bestätigt Sylvain Mbuya, aber viel zu wenig: «Zwei Fahrten pro Tag reichen nicht, die Sonne trocknet die Strasse sofort wieder aus.»
«Schauen Sie die Strassen an. Der Staub macht uns krank. Und sie sind voller Löcher, da gibt es in der Regenzeit kein Durchkommen.»
Der Fluss als Müllkippe
Sylvain Mbuya hat für die staatliche Minengesellschaft Gécamines gearbeitet, bewohnt eines der alten Arbeiterhäuschen und kennt Luilu genau. Der Staub sei eine grosse Belastung, sagt er, aber nicht das grösste Problem des Quartiers, in dem rund 30'000 Menschen leben: «Unsere Flüsse sind verschmutzt, und wir haben immer noch kein sauberes Wasser.»
2012 und 2014 hatten Brot für alle und Fastenopfer nachgewiesen, dass KCC über einen Kanal den Fluss Luilu mit Säure und Schwermetallen verschmutzte. Heute hat sich die Situation verbessert. Nach der Modernisierung der Mine scheint Glencore keine Abwässer mehr in den Fluss zu leiten. Die von Fastenopfer und Brot für alle vorgenommenen Wasseranalysen vom Mai 2018 zeigen jedenfalls keine Spuren akuter Verschmutzung.
Das Ökosystem des Flusses ist indessen durch die jahrelange Nutzung als Müllkippe stark belastet. KCC und damit Glencore stehen deshalb in der Verantwortung, den Zugang zu sauberem Wasser wieder zu gewährleisten – eine Bitte, welche die Bevölkerung von Luilu seit 2007 in zahllosen Versammlungen und Briefen immer wieder vorgebracht hat. 2014 versprachen die Verantwortlichen von KCC schliesslich in einem Gespräch mit Brot für alle und Fastenopfer, sich am Bau von Brunnen zu beteiligen.
Das Ergebnis dieses Versprechens steht im Zentrum Luilus unter einem Wellblechdach: eine Wasserstation für rund 3000 Personen, weiss gekachelt, mit 16 Wasserhähnen. Das Problem ist bloss: Das Wasser fliesst auch Anfang 2019 noch nicht, so wenig wie in den beiden anderen Stationen, an deren Bau sich Glencore beteiligt hat. Die Begründungen sind vielfältig: Diebstahl von Material, Probleme bei Grundwasser-Bohrlöchern, falsche Rohre, Fehler der Elektrizitätsgesellschaft, welche die Pumpstationen betreibt.
Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass gleich nebenan die Fabrik-Infrastruktur einer der grössten Kupfer- und Kobaltminen der Welt jüngst rundum erneuert wurde und offenbar gut funktioniert. Auch Alphonse Makula, Gewerkschafter und Koordinator der Nichtregierungsorganisation Asibog (Association pour l'Integrité et la Bonne Gouvernance) versteht nicht, weshalb das Wasser immer noch nicht fliesst.
«Die Wassersituation ist eine Katastrophe. Wir müssen Wasser trinken, das eigentlich nicht trinkbar ist. Wer es trotzdem tut, muss mit Durchfall und Bauchschmerzen rechnen.»
Alfonse Makula selbst hat Glück, denn er kann im Garten seines Nachbarn Wasser beziehen, der einen Brunnen gegraben hat. Das kostet viel Geld, umgerechnet rund 7000 Franken, was sich nur wenige leisten können. Und auch das Wasser aus privaten Brunnen sei teilweise verschmutzt, sagt Makula, es gebe Verbindungen zu Abwasserkanälen, und wer kein Geld für die Desinfektion habe, bekomme Probleme.
Die meisten Menschen in Luilu haben deshalb keine Wahl: Sie gehen zu öffentlichen Wasserstellen wie jener in Sapetelo, einer der ärmsten Gegenden des Quartiers. Gesichert durch Sandsäcke und eine Plastikblache, blubbert hier Wasser aus zwei Metallrohren in eine braune Pfütze. Trotzdem ist an der Wasserstelle viel los, Kinder und Frauen füllen ihre Kanister, weiter unten waschen Frauen Kleider und Geschirr.
Sie alle hoffen, dass der Weltkonzern Glencore, der einen Jahresumsatz von über 200 Milliarden Dollar erzielt, seiner Verantwortung endlich gerecht wird und die drei kleinen Wasserstationen bald in Betrieb nimmt. Immerhin werden dann – nach mehr als zehn Jahren des Wartens –10’000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben. Die anderen Bezirke Luilus werden weiter warten müssen.
Katastrophale hygienische Verhältnisse: die Wasserstelle von Sapatelo.
Katastrophale hygienische Verhältnisse: die Wasserstelle von Sapatelo.
Moloka und Kaindu
Kampf um Entschädigung
Chef Tshikala ist ein einflussreicher Mann. Im Kongo erkennt man das am Hut. Diesen hat er immer auf, wenn es «offiziell» wird. Auch jetzt, als er uns vor seinem Haus am Rande von Lualaba-Gare empfängt und in den Schatten eines kleinen Pavillons lädt. Chef Tshikala ist der traditionelle Führer der Dörfer südlich der Glencore-Mine Mutanda Mining (Mumi). Und diese erlebten in den letzten Jahren harte Zeiten.
«2013 gab es ein unglückliches Ereignis auf der Seite von Mutanda Mining.» So umschreibt Chef Tshikala, was sich zwischen Juli 2013 und September 2014 abspielte: Während mehr als einem Jahr flossen Schadstoffe auf die Felder von 26 Bauernfamilien in Moloka, einem Gebiet unmittelbar an der südwestlichen Grenze der Mumi-Konzession. Insgesamt wurden Böden und Ernten auf einer Fläche von fast 24 Hektar zerstört.
«Säure floss auf die Felder der Bauern von Moloka. Sie haben das den Verantwortlichen von Mumi gemeldet, aber es ist nichts passiert. Dann haben wir die Leute von CAJJ kontaktiert, die uns bis heute unterstützen.»
Soweit die Fakten, die inzwischen auch von Glencore nicht mehr bestritten werden. Das wäre auch schwierig, denn die Verschmutzung der Böden war so gross, dass sie bis heute auf Satellitenbildern erkennbar ist. Alles Weitere aber ist etwas komplizierter. Um uns selbst ein Bild zu machen, fahren wir mit Erlaubnis von Chef Tshikala zum Ort, wo sich der Schaden ereignet hat.
Schwester Nathalie Kangaji begleitet uns, denn sie hat als Leiterin des Zentrums für juristische Hilfe (CAJJ), einer Partnerorganisation von Brot für alle und Fastenopfer, alles genau verfolgt. Die Verantwortlichen der Glencore-Mine Mumi reagierten zunächst nicht auf die Klagen der Bäuerinnen und Bauern, deren Land verseucht wurde. Dann alarmierten diese CAJJ. «Wir gingen aufs Feld und dokumentierten die Schäden», erzählt Soeur Nathalie, und am Ort des Geschehens zeigt sie uns das Ausmass der Verwüstung.
Bäume ohne Laub stehen wie Skelette am Rande von weiten Flächen vertrockneten Grases. Vielerorts ist die Vegetation vollständig abgestorben, auf dem dunkelroten Boden wächst auch vier Jahre nach dem «unglücklichen Ereignis» nichts mehr - ausser den paar kümmerlichen Bäumchen, die Glencore als «Rehabilitation» hat pflanzen lassen. «Aber die gedeihen auf dem vergifteten Boden nicht richtig», sagt Soeur Nathalie.
Unermüdlicher Einsatz
Nathalie Kangaji ist Anwältin und Ordensfrau. Doch das hält die energische Frau nicht davon ab, sich in ihrem Kampf für mehr Gerechtigkeit auch mal die Hände schmutzig zu machen. Sie bückt sich, kratzt in einer Schicht eingetrockneten weissen Schlamms, der sich auf dem Boden ausgebreitet hat, und steckt eine Probe in einen roten Plastiksack: «Da scheint schon wieder etwas ausgeflossen zu sein, dem müssen wir nachgehen.»
Für Schwester Nathalie ist ihr unermüdlicher Einsatz eine Selbstverständlichkeit: «Wie könnte ich wegschauen, wenn ich das Elend und die Armut in meinem Land sehe», sagt sie, «es ist meine Pflicht, mich für die Schwächeren einzusetzen und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen». Im Fall der von der Glencore-Mine geschädigten Bäuerinnen und Bauern von Moloka ist ihr das gelungen. Aber es hat lange gedauert. Und einfach war es nicht.
Entschädigung zu gering
Glencore hat trotz der klaren Faktenlage lange abgestritten, dass ihre Tochtergesellschaft Mumi die Verschmutzung der Felder verursacht hat. CAJJ liess nicht locker, schaltete die lokalen Behörden ein, aber erst nach zahllosen Diskussionen und langen Verhandlungen willigte der Konzern schliesslich ein, die 26 Familien für die zerstörten Kulturen mit insgesamt 65’330 US-Dollar zu entschädigen.
Das ist zweifellos besser als nichts, aber für viele der Opfer nicht genug: Denn Mumi weigert sich bis heute, auch für den Boden, der nach wie vor nicht kultivierbar ist, eine Entschädigung zu zahlen - entgegen den Bestimmungen des kongolesischen Bergbaugesetzes. Die 26 geschädigten Familien haben derzeit kein anderes Land, auf dem sie etwas anbauen könnten, und befinden sich in einer entsprechend prekären Lage.
«Mein ganzes Leben beruht auf der Landwirtschaft, erklärt Jean-Marie Kansambi, dessen Felder verwüstet wurden, «damit habe ich meine ganze Familie ernährt und konnte zwölf Kinder zur Schule schicken.» Die Entschädigung für die zerstörte Ernte sei ein Tropfen auf den heissen Stein gewesen. Denn das Land sei nun unfruchtbar, er habe keine Felder mehr. Die Familie hält sich mit dem Verkauf von Holzkohle und dank der Unterstützung von Nachbarn einigermassen über Wasser.
«Mumi hat mir 2000 Dollar bezahlt, aber das war zu wenig. Ich habe das Schulgeld bezahlt und ein paar Säcke Mais gekauft. Doch ich habe zwölf Kinder und kein Land mehr.»
Wächter am Zaun
Wir fahren weiter Richtung Kaindu, rumpeln durch Dellen, in denen man fast das ganze Fahrzeug verstecken könnte, vorbei an einem kleinen Fluss, der direkt von den Feldern von Moloka in den Kaindu-See fliesst. Wir nehmen Wasserproben, die wir später im Labor analysieren lassen. Die Befürchtungen von Schwester Nathalie werden sich nicht bestätigen: keine auffälligen Werte.
Das Dorf Kaindu zieht sich ein paar hundert Meter der Strasse entlang. Die Häuser sind aus rohem Backstein, die meisten haben bloss einen Raum, bedeckt von Wellblech, das mit Steinen beschwert wurde. Die Ziegen und Hühner haben sich vor der Mittagshitze in den Schatten geflüchtet. Im Zentrum des Dorfes hat die Glencore-Tochter Mumi zwei Brunnen gebaut, an denen Frauen die Kanister füllen.
Umsteigen aufs Motorrad: Über enge Trampelpfade geht es durch den Busch, wir queren ein paar Felder, die jetzt, in der Trockenzeit, abgeerntet sind, und tauchen wieder ins Dickicht ein. Wie aus dem Nichts taucht ein Zaun auf, dahinter türmen sich die Abraumhalden der Mutanda-Mine. Lange bleiben wir nicht unbemerkt: Wächter tauchen auf, und sie geben uns unmissverständlich zu verstehen, dass wir hier nichts zu suchen haben.
Wir gehen kein Risiko ein und brechen den Augenschein ab. Zurück in Kaindu, erfahren wir im Versammlungslokal, was in der Nacht vom 16. auf den 17. April 2017 draussen am Zaun geschehen ist. Die Bäuerinnen und Bauern sitzen in drei Reihen auf Holzbänken, einzelne beginnen zu erzählen. Eine flüssige Substanz aus der Mine sei damals auf ihre Felder geflossen, habe ihre Kulturen zerstört, und Fische und Frösche im Fluss seien gestorben.
Glencore beschwichtigt
Die Dorfbewohner riefen CAJJ auf den Plan. Ein Mitarbeiter dokumentierte die sichtbaren Schäden, und zusammen mit 32 betroffenen Bauern und Bäuerinnen bat CAJJ Glencore um Auskunft über die Gründe der Verschmutzung und die ausgeflossenen Substanzen. Bisher ohne Erfolg: Der Konzern stellt sich auf den Standpunkt, die Verschmutzung habe keine negativen Auswirkungen auf bewirtschaftete Agrarflächen gehabt. Die konzerneigene Analyse der ausgetretenen Stoffe wurde aber bisher nicht veröffentlicht.
Die Glencore-Tochter Mutanda Mining schreibt nur von einer «Mischlösung aus Rückstandschlamm, der zu 50 Prozent aus Feststoffen besteht», und will von Kompensationen nichts wissen. Ngoie Ma Mwenge gibt sich damit nicht zufrieden. «Es gab Schäden an der ganzen Ernte auf meinem Feld, an Süsskartoffeln, Auberginen und Mais», sagt die 47-jährige Bäuerin und Mutter von 13 Kindern. Und sie verlangt, dass Mumi die Verschmutzung anerkennt und eine Entschädigung zahlt.
«Wir sind am Morgen auf die Felder gegangen und haben gesehen, dass das Wasser im Fluss eine andere Farbe hatte. Fische und Frösche waren tot.»
Genauso wie Sarah Véronique Ilunga Nkumwimba. Die 32-jährige Mutter von drei Kindern überquerte an dem fraglichen Morgen auf dem Weg zu ihren Feldern das Flüsschen, das von der Mine zum See fliesst. Danach verspürte sie Juckreiz an den Beinen und Schwindel. Sie ging nach Kolwezi ins Spital, einige Zeit später zu einer Untersuchung in die Stadt Lubumbashi. Um die Kosten für die Reisen und die Konsultationen zu begleichen, musste sich die Familie verschulden.
«Im Spital sagte die Krankenschwester, dass ich eine allergische Reaktion habe, weil ich mit «Substanzen» in Kontakt geraten sei. Ich habe das dem Unternehmen [Mumi] erzählt, aber sie haben mich nicht ernst genommen.»
Es gibt Widersprüche zwischen den Arztberichten, Glencore übergab den Fall einem Anwalt und liess Sarah Ilunga wissen, ihre Krankheit habe nichts mit den ausgetretenen Substanzen zu tun. CAJJ schaltete sich ein und setzte sich mehrmals mit lokalen Vertreterinnen von Glencore zusammen. Vielleicht mit Erfolg? Im November 2018 erklärte sich Glencore bereit, den Fall nochmals zu prüfen und eine Entschädigung in Betracht zu ziehen. Soeur Nathalie freut sich, denn Fortschritte gibt es nicht alle Tage: «Manchmal muss man einfach einen langen Atem haben», sagt sie, «und plötzlich klappt es.»
Fazit
Seit 2010 engagieren sich Brot für alle und Fastenopfer für die Bevölkerung im Umfeld der Kupfer- und Kobaltminen von Glencore in der Demokratischen Republik Kongo. Zusammen mit den lokalen Partnerorganisationen Afrewatch und CAJJ (Zentrum für juristische Hilfe) verfassten die beiden Entwicklungsorganisationen seither vier Berichte über die Aktivitäten der Tochterfirmen des Zuger Rohstoffkonzerns und deren Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechte der Menschen, die vom Rohstoffabbau betroffen sind. Der aktuellste Bericht wurde Ende November 2018 veröffentlicht.
Diese Studien deckten auf, dass sich rund um Mutanda Mining (Mumi) und die Kamoto Cooper Company (KCC) immer wieder gravierende Verletzungen von Menschenrechten und Umweltschäden ereignet haben. Diese reichten von der Verschmutzung des Flusses Luilu über massive Staubemissionen bis zur Verwüstung von Kulturpflanzen, Feldern und Gärten durch Schadstoffe aus den Minen. Dies stellt – in unterschiedlichem Ausmass – eine Verletzung des Rechts auf Wasser, Nahrung und Gesundheit der betroffenen Menschen dar.
Ungenügende Sorgfaltspflicht
Gemäss internationalen Standards wie den Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) ist Glencore verpflichtet, eine Sorgfaltsprüfung in Bezug auf Menschenrechts- und Umweltrisiken durchzuführen und danach entsprechend zu handeln. Wie diese Reportage zeigt, hat der Schweizer Konzern in den letzten Jahren verschiedene Massnahmen ergriffen, um die negativen Auswirkungen seiner Aktivitäten zu minimieren oder zu beseitigen.
Diese waren ausreichend, um unter anderem die Verschmutzung des Flusses Luilu zu stoppen. Im Falle des Rechts auf Gesundheit (Staubbelastung in Musonoi und Luilu) und des Rechts auf Nahrung (Verschmutzung von Feldern) waren sie jedoch ungenügend. Zudem warten Zehntausende von Menschen in Luilu und Musonoi immer noch auf den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Glencore nimmt also seine Sorgfaltspflicht nur unvollständig wahr.
Trotzdem haben sich die Lage der Bevölkerung und die Umweltsituation in mancher Hinsicht verbessert. Dies ist vor allem auf die Arbeit und den Druck der Partnerorganisationen von Brot für alle und Fastenopfer zurückzuführen. Denn wenn es zu einer Verschmutzung kam, reagierte Glencore meist nach dem gleichen Muster: Zuerst gab es ein Dementi. Später wurde die Verantwortung teilweise anerkannt, der Konzern wollte aber keine Entschädigung bezahlen. Schliesslich kam es unter Einbezug der Behörden und lokaler NGOs zu Verhandlungen. Erst danach erklärte sich Glencore bereit, Entschädigungen zu zahlen oder versprochene Massnahmen umzusetzen.
« Dieser Erfolg war dank Spenden aus der Schweiz möglich. Unterstützen auch Sie Soeur Nathalie und die Partnerorganisationen von Brot für alle und Fastenopfer, damit sie weiter gegen solches Unrecht vorgehen können. »
Konzernverantwortungs-Initiative bringt Abhilfe
Dies zeigt, dass die langfristige Arbeit der Partnerorganisationen von Fastenopfer und Brot für alle vor Ort entscheidend ist. Sie reicht aber offensichtlich nicht aus, denn auch heute sind wichtige Probleme ungelöst. Und man kann sich vorstellen, wie die Lage an Orten aussieht, an denen keine starke Zivilgesellschaft existiert, die Konzernen wie Glencore auf die Finger schaut und auf lokaler wie auf internationaler Ebene sowie über Medienberichterstattung Druck ausüben kann.
Deshalb ist für Brot für alle und Fastenopfer klar: Es braucht verbindliche Regeln für international tätige Schweizer Unternehmen, welche diese verpflichten, eine umfassende Sorgfaltsprüfung in Bezug auf international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards durchzuführen. Solche Regeln sieht die Konzernverantwortungsinitiative vor. Diese würde vor allem präventiv wirken. Käme es trotzdem zu Verletzungen von Menschenrechten, hätten die Opfer die Möglichkeit, in der Schweiz Klage einzureichen.
Nur so lässt sich die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards durch Schweizer Unternehmen im Ausland konsequent einfordern. Dies ist gerade in Ländern wie dem Kongo wichtig, wo Politik und Rechtssystem nicht zuverlässig funktionieren und anfällig sind für Korruption. Soeur Nathalie Kangaji, die Koordinatorin von CAJJ, setzt jedenfalls grosse Hoffnung auf die Initiative. Im Kongo sei die Justiz «krank», klagt die Juristin, die Schweiz dagegen sei ein Rechtsstaat: «Wenn es ein Gesetz gibt, das es erlaubt, in der Schweiz vor Gericht zu gehen, kann es Gerechtigkeit geben.»
Disclaimer
Diese Multimedia-Reportage basiert auf einer Recherche-Reise in die Region Kolwezi Ende Mai 2018, auf diversen Berichten von Afrewatch und CAJJ, den kongolesischen Partnerorganisationen von Fastenopfer und Brot für alle, sowie dem im November 2018 publizierten Bericht von Brot für alle und Fastenopfer (nur auf Französisch) und der entsprechenden Zusammenfassung. Die Reportage reflektiert unseren Kenntnisstand per Ende Februar 2019.
Impressum
Text, Videos und Online-Umsetzung:
Lorenz Kummer, Brot für alle
Bilder: Meinrad Schade